Plastik vermeiden und Müll reduzieren – wir alle wissen um die Notwendigkeit einer Verhaltensänderung, aber die Umsetzung im Alltag scheint nicht leicht zu sein: Im Supermarkt ist alles verpackt und dazu kommen Hygienevorschriften, die Einkäufe ohne Verpackung erschweren. Wie diese Hindernisse zu überwinden sind, zeigte die von der Liste Mensch und Umwelt organisierte Veranstaltung „unverpackt & klimaaktiv“ am 1. Oktober in der Maulbronner Postscheuer.
Ute Frank aus Brackenheim und Sascha Giese aus Pforzheim waren eingeladen, um über alternative Handlungsoptionen zu berichteten.
Ute Frank ist Mitglied im Arbeitskreis „Klimaschutz“ und Gemeinderätin in Brackenheim. „Bei Nachrichten über die Entwicklung unseres Planeten könnte ich oft verzweifeln“, so Frank. „Umso wichtiger ist es mir deshalb, das zu tun, was möglich ist und das geht eben nur lokal vor Ort. Ich bin deshalb sehr froh, dass ich im Arbeitskreis Klimaschutz Gleichgesinnte gefunden habe.“ In Brackenheim spielt der Klimaschutz eine wichtige Rolle. Seit April 2015 gibt es dort einen eigenen Klimaschutzmanager. Mit vielfältigen Aktionen will der von ihm initiierte Arbeitskreis Klimaschutz die Bevölkerung vor Ort für das Thema sensibilisieren und zu nachhaltigem Verhalten anregen. So ist neben den Plastiktütentauschtagen, Filmabenden und Stoffwindeltestpaketen auch das Projekt „KLIMAfairer Einkauf in Brackenheim – Prima Klima in der Tasche“ entstanden.
Im Arbeitskreis war man sich einig: Bei der Produktherstellung und -verpackung sollte bereits Müll gespart werden, aber auch wir als Verbrauchende können unseren Beitrag leisten – ohne Komfortverlust. Auf Anregung des Arbeitskreises haben sich 21 Brackenheimer Einzelhandelsunternehmen bereit erklärt, Frischwaren auch verpackungsfrei an ihre Kundschaft abzugeben. In Geschäften und Läden, die das Logo PRIMA KLIMA IN DER TASCHE auf der Eingangstür angebracht haben, können Frischwaren wie Wurst, Käse, Fleisch, Obst, Gemüse, Mehl, Milch, Brot oder Brötchen nun auch ohne Verpackung eingekauft werden. Erforderlich ist dafür nur, eigene Mehrweg-Behälter mit ins Geschäft zu ringen: ein Korb, ein Einkaufsnetz, eine Baumwolltasche, eine Flasche oder Frischhalte-Dosen (aus Glas oder Kunststoff).
Eine Möglichkeit, mit eigenen Behältnissen verpackungsfrei einzukaufen, bietet sich auch in Pforzheim, und zwar im Unverpackt-Laden von Sascha Giese. Der ehemalige Außendienstmitarbeiter gab 2017 nach einem Bandscheibenvorfall seinem Leben eine neue Richtung: „Höher, schneller, weiter sollte es für mich nicht mehr geben“, so Giese. Seine Frau und er nahmen an einem Seminar beim Unverpackt Laden in Kiel teil. Schon auf der Rückfahrt waren sie sich einig: „Unverpackt ist unsere Zukunft“. Sie eröffneten im Oktober 2018 den Unverpackt-Laden in Pforzheim. „An Urlaub ist seit dem zwar nicht mehr zu denken, aber der Laden macht mich glücklich. Die Entscheidung war goldrichtig!“
Unverpackt Läden gehören zu keiner Kette – jeder Laden ist speziell. 2018 gab es deutschlandweit 70 Unverpackt-Läden – 2019 sind es bereits 140. Das Konzept scheint den Nerv unserer Zeit getroffen zu haben. Wichtig ist Giese entspanntes, entschleunigtes und möglichst müllarmes Einkaufen, das für jedes Ernährungskonzept passt. In seinem Laden gibt es neben der Grundversorgung auch ausreichend Naschwerk. Ganz müllfrei geht es natürlich auch in seinem Laden nicht. Auf Nachfragen erklärte er, wie er an seine Waren kommt und dass diese in großen Gebinden (Papiersäcke, Kartons, Pfandsysteme aus Kunststoff) geliefert werden.
Giese appelliert daran, alles aufzubrauchen, was wir zuhause haben – auch wenn es aus Plastik ist. „Alles, was ihr besitzt, hat die Ressourcen schon gekostet!“ Er sieht es eher undogmatisch und verteufelt Plastik nicht. Er schleppt keine schweren Glasflaschen im Rucksack mit sich herum und würde auch nicht 4 Stunden dehydriert im Flughafen rumrennen auf der Suche nach plastikfrei verpackten Getränken. Genauso wenig ist es sinnvoll, alle Plastikzahnbürsten wegschmeißen und nur noch mit Bambus Zähne zu putzen, denn: Wo soll all der Bambus wachsen? Für Giese kommt es hier, wie bei vielem, auf das richtige Maß an. Er empfiehlt beim Konsumieren Folgendes zu bedenken: 1. Muss ich es haben? 2. Kann ich es gebraucht bekommen? Oder leihen? 3. Wenn ich es neu kaufe, dann nachhaltig!
Friederike Keitel, die Organisatorin der Veranstaltung, freute sich über das große Interesse an der Veranstaltung über die Ortsgrenzen hinweg. „Für ein ressourcenschonenderes Leben sind Impulse wie diese wichtig. Sie zeigen, dass es Wege gibt, die niedrigschwellig und auch komfortabel sind.“